12. März 2007

Respekt, Frau Zypries!



(ausnahmsweise mit Portraitphoto, da sie in der Öffentlichkeit ja nicht so bekannt ist - Quelle: BMJ)
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ließ heute durch Pressemitteilung Gerüchte dementieren, Sie werde demnächst von Berlin nach Karlsruhe wechseln. Ihre Begründung, Sie wolle nicht direkt von einem Regierungsamt auf die Richterbank wechseln ist ehrenhaft und sehr zu begrüßen. Andere Sozialdemokratinnen (Bsp. 1, Bsp. 2) haben da in der Vergangenheit weniger Skrupel gezeigt.

6. März 2007

Regionale Unterschiede und Kinderzahl bei der Beamtenbesoldung

Anno 1998 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der Staat bei der Beamtenbesoldung nach der Zahl der Kinder differenzieren und die finanzielle Benachteiligung kinderreicher Beamtenfamilien durch Familienzuschläge ausgleichen muss. Geklagt hatten seinerzeit mehrere Beamte mit mehr als zwei Kindern, die durch die Nichtberücksichtigung ihrer entsprechend höheren Lebenshaltungskosten das Alimentationsprinzip verletzt sahen. Das BVerfG gab ihnen recht.

Heute nun entschied das BVerfG, dass der Staat bei der Beamtenbesoldung nicht berücksichtigen muss, dass die Lebenshaltungskosten in Großstädten zum Teil erheblich über denen auf dem Land liegen. Geklagt hatte ein Beamter aus München, der sich durch seinen dienstlich bedingten Umzug nach München (Residenzpflicht!) im Vergleich zu Kollegen in billigeren Regionen finanziell benachteiligt sah. Ihm sprang das BVerfG nicht zur Seite.

Lässt man einmal die ganzen Feinheiten beider Fälle außer acht (insbesondere die Auswirkungen des grundrechtlich garantierten Schutzes der Familie, der natürlich im ersten Fall auch relevant war), so fällt mir im Vergleich dieser beiden Fälle das nackte Fazit ein: Der Staat haftet nicht für Einkommensunterschiede seiner Beamten, die er durch die Versetzung an einen teureren Dienstort selbst verursacht hat. Er muss aber Einkommensunterschiede infolge der Anzahl der Kinder ausgleichen, die auf einer autonomen Entscheidung des Einzelnen beruhen. Dann kann man ja nur noch hoffen, dass diese ganzen Beamtenkinder wenigstens nicht ihrerseits Beamte werden, sondern brav in die Rentenkasse einzahlen.

PS: Von den Richtern der 98er-Entscheidung waren zwei (Herr Hassemer und Frau Osterloh) auch an der heutigen Entscheidung beteiligt. Seinerzeit entschied der Senat einstimmig, heute mit zwei Gegenstimmen. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Schriftform erforderlich

A und B schließen einen Vertrag. In diesem ist folgende Regelung festgehalten: "Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform; dies gilt auch für eine Änderung dieser Schriftformklausel." Soweit handelt es sich um eine formularbuchmäßige Standard-Schriftformklausel, wie sie tagtäglich tausendfach verwendet wird.

Nun stellen A und B aber fest, dass in dem Vertrag Änderungen erforderlich sind, und sie schließen - in treuer Beachtung des eben zitierten Schriftformerfordernisses - eine schriftliche Ergänzungsvereinbarung, mit der dem ursprünglichen Vertrag einige Bestimmungen hinzugefügt werden. In dieser Ergänzungsvereinbarung findet sich nun folgender Text:
Zudem verpflichten sich die Parteien, alles Erforderliche zu unternehmen, um die vertraglich vereinbarte Schriftform auch für diese Ergänzungsvereinbarung zu wahren.
Verträge enthalten Verpflichtungen, aber welche Verpflichtung soll sich für die Vertragsparteien aus diesem Satz ergeben? Ich frage mich, was wohl "alles Erforderliche" wäre, damit die Schriftform gewahrt wird. Es ist vermutlich so gemeint, dass die Parteien schlicht und einfach die Schriftform wahren sollen, indem sie die Ergänzungsvereinbarung schriftlich ausfertigen und unterschreiben (vgl. § 126 Abs. 1 BGB). Aber genau dies haben sie doch mit der Unterzeichnung der Ergänzungsvereinbarung, die diese Verpflichtung enthält, gerade bereits getan. Welchen Sinn ergibt eine vertragliche Verpflichtung, die die Parteien denknotwendig mit der Vertragsunterzeichnung bereits erfüllt haben? Ich bin sprachlos...

2. März 2007

Künstliche Befruchtung

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Verfahren der konkreten Normenkontrolle entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur verheirateten Paaren eine künstliche Befruchtung zahlen müssen. Eine entsprechende Regelung im Sozialgesetzbuch (§ 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V, um genau zu sein) sei verfassungsgemäß.

Interessant finde ich an diesem Fall die Detailtreue, mit der das BVerfG den Streitgegenstand eingrenzt: So wird zunächst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur um Nr. 3 des § 27a Abs. 1 SGB V gehen kann, da Nr. 4 (worin die heterologe Insemination ausgeschlossen wird) im Vorlagefall nicht entscheidungserheblich war.

Das ist an sich noch nichts besonderes. Das vorlegende Sozialgericht Leipzig hatte hier ein kleines bisschen geschlampt, indem es im Vorbeigehen auch eine Vorschrift zur Prüfung vorgelegt hatte (eben die genannte Nr. 4), auf die es im konkreten Fall gar nicht ankam. Das einzig bemerkenswerte daran ist, dass sich beim BVerfG zuverlässig immer ein cleverer Mitarbeiter findet, der solche kleinen Unaufmerksamkeiten rausfiltert und dafür sorgt, dass das Gericht nicht aus Versehen die falsche Frage beantwortet. Dafür muss man die Damen und Herren im Dritten Senat in fachlicher Hinsicht wirklich bewundern.

Wirklich interessant ist aber der folgende Absatz:
Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist im Übrigen nicht die Frage, ob eine künstliche Befruchtung bei nicht miteinander verheirateten Paaren durchgeführt werden darf. Das Grundgesetz steht einer solchen medizinischen Maßnahme unzweifelhaft nicht entgegen. Zu entscheiden ist im Rahmen der Vorlage ausschließlich darüber, ob der Gesetzgeber die Leistungen der Krankenversicherung aus Anlass einer künstlichen Befruchtung auf Ehepaare beschränken darf.
Einem regelmäßigen Leser der Entscheidungen des BVerfG springt dieser Absatz ins Auge. Denn es ist selten, dass das Gericht sich die Mühe macht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, um was es gerade nicht geht. Wenn so etwas einmal passiert, dann eher in Fällen, in denen diese Frage nicht ohne weiteres ersichtlich ist oder zuvor von einem der Beteiligten problematisiert wurde. (Im vorliegenden Fall wäre ich nach Lektüre des Urteils bis zu dieser Stelle nie auf die Idee gekommen, dass es in dem Verfahren auch um die Zulässigkeit einer "außerehelichen künstlichen Befruchtung" als solche gehen könnte. Angesichts der eindeutigen Vorlagefrage ist dieser Gedanke doch eher abseitig, zumal keiner der Beteiligten irgend etwas in diese Richtung geäußert hat.) Der Gipfel ist aber, dass das BVerfG gleich im Anschluss an die Feststellung, dass es sich nicht mit der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der außerehelichen künstlichen Befruchtung befassen wird, genau diese Frage ohne jegliche inhaltliche Begründung ausdrücklich und eindeutig beantwortet. Rhetorisch finde ich das sehr pfiffig, ansonsten ist es einfach nur Show, und die hat in BVerfG-Urteilen nichts verloren.