2. März 2007

Künstliche Befruchtung

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Verfahren der konkreten Normenkontrolle entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur verheirateten Paaren eine künstliche Befruchtung zahlen müssen. Eine entsprechende Regelung im Sozialgesetzbuch (§ 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V, um genau zu sein) sei verfassungsgemäß.

Interessant finde ich an diesem Fall die Detailtreue, mit der das BVerfG den Streitgegenstand eingrenzt: So wird zunächst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur um Nr. 3 des § 27a Abs. 1 SGB V gehen kann, da Nr. 4 (worin die heterologe Insemination ausgeschlossen wird) im Vorlagefall nicht entscheidungserheblich war.

Das ist an sich noch nichts besonderes. Das vorlegende Sozialgericht Leipzig hatte hier ein kleines bisschen geschlampt, indem es im Vorbeigehen auch eine Vorschrift zur Prüfung vorgelegt hatte (eben die genannte Nr. 4), auf die es im konkreten Fall gar nicht ankam. Das einzig bemerkenswerte daran ist, dass sich beim BVerfG zuverlässig immer ein cleverer Mitarbeiter findet, der solche kleinen Unaufmerksamkeiten rausfiltert und dafür sorgt, dass das Gericht nicht aus Versehen die falsche Frage beantwortet. Dafür muss man die Damen und Herren im Dritten Senat in fachlicher Hinsicht wirklich bewundern.

Wirklich interessant ist aber der folgende Absatz:
Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist im Übrigen nicht die Frage, ob eine künstliche Befruchtung bei nicht miteinander verheirateten Paaren durchgeführt werden darf. Das Grundgesetz steht einer solchen medizinischen Maßnahme unzweifelhaft nicht entgegen. Zu entscheiden ist im Rahmen der Vorlage ausschließlich darüber, ob der Gesetzgeber die Leistungen der Krankenversicherung aus Anlass einer künstlichen Befruchtung auf Ehepaare beschränken darf.
Einem regelmäßigen Leser der Entscheidungen des BVerfG springt dieser Absatz ins Auge. Denn es ist selten, dass das Gericht sich die Mühe macht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, um was es gerade nicht geht. Wenn so etwas einmal passiert, dann eher in Fällen, in denen diese Frage nicht ohne weiteres ersichtlich ist oder zuvor von einem der Beteiligten problematisiert wurde. (Im vorliegenden Fall wäre ich nach Lektüre des Urteils bis zu dieser Stelle nie auf die Idee gekommen, dass es in dem Verfahren auch um die Zulässigkeit einer "außerehelichen künstlichen Befruchtung" als solche gehen könnte. Angesichts der eindeutigen Vorlagefrage ist dieser Gedanke doch eher abseitig, zumal keiner der Beteiligten irgend etwas in diese Richtung geäußert hat.) Der Gipfel ist aber, dass das BVerfG gleich im Anschluss an die Feststellung, dass es sich nicht mit der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der außerehelichen künstlichen Befruchtung befassen wird, genau diese Frage ohne jegliche inhaltliche Begründung ausdrücklich und eindeutig beantwortet. Rhetorisch finde ich das sehr pfiffig, ansonsten ist es einfach nur Show, und die hat in BVerfG-Urteilen nichts verloren.

Keine Kommentare: