23. April 2009

Schmerzensmann Klinsmann

Nun darf die taz ihn also weiterhin am Kreuze hängend darstellen, den entzauberten Wunderklinsi. Erlaubt hat dies, ausgerechnet, ein Gericht aus der Diaspora der christenverhöhnenden Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit, das Landgericht München I[1]. Wie bei taz-Rechtsanwalt Eisenberg nachzulesen ist, hat sich das Gericht dabei nicht nur im Ergebnis der Argumentation der taz angeschlossen, sondern macht sich auch in der Begründung um die humoristisch angehauchte Dokumentation der Causa verdient. Einige Auszüge (Hervorhebungen und Anmerkungen in eckigen Klammern von mir):
Die Antragsgegnerin [taz] weist [...] darauf hin, dass ihre Veröffentlichung ironisch zu verstehen sei. Der Antragsteller werde nur im übertragenen Sinn an das Kreuz genagelt. Ein Ärgernis brauche einen, der sich ärgert. Insofern habe sie beim Antragsteller [Klinsmann] Glück gehabt. Sie habe jedoch weder den Antragsteller, noch die religiösen Gefühle der Leser verletzen wollen.
Die Art der Darstellung ist dem Bereich der Satire bzw. der Karikatur zuzuordnen. Eine reale Kreuzigung des Antragstellers steht überhaupt nicht im Raum. Vielmehr wird der berufliche Niedergang des Antragstellers in symbolischer Weise dargestellt [...].
Gegenstand dieser Karikatur ist eine Meinungsäußerung. Kernaussage der Veröffentlichung ist die nach Auffassung der Antragsgegnerin bevorstehende Beendigung der Tätigkeit des Antragstellers als Trainer bei dem Fußballverein FC Bayern. Diese Einschätzung ist offensichtlich spekulativ, mithin derzeit einem Beweis nicht zugänglich. Ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit wird sich erst in der Zukunft herausstellen.
Der Antragsteller ist eine Person der Zeitgeschichte. [...] Er war nach seinem eigenen Vorbringen vor seiner Tätigkeit für einen bayerischen Fußballverein Trainer der Nationalmannschaft in Deutschland. Es ist gerichtsbekannt, dass Fußballspiele und die an ihnen teilnehmenden Personen einschließlich deren Trainer in den Medien und in der Öffentlichkeit größte Aufmerksamkeit genießen. Es vergeht schon kaum eine Nachrichtensendung, in welcher nicht auch über solche Themen berichtet wird.
Dieser Autor und womöglich der ein oder andere Leser fühlt sich an längst vergessene Entscheidungen bayerischer, vor allem unterfränkischer, Gerichte erinnert, die Rechtstreitigkeiten um die Reichweite der Meinungsfreiheit ebenfalls zum Anlass genommen haben, selbst ein wenig satirisch in die Vollen zu hauen. Schön, dass die bayerische Justiz diese Tradition nicht vergessen hat!

[1] Ja, München hat mehr als nur ein popeliges Landgericht. Nicht etwa weil man dort so reich ist, dass man sich zwei leisten kann kann. Auch nicht eines für Reich und eines für Arm. Sondern eines für München selbst (Stadt und Landkreis, um genau zu sein) und eines (München II) für den "Speckgürtel".Letzteres ist damit das einzige Gericht in Deutschland, das seinen Sitz außerhalb seines eigenen Gerichtsbezirks hat. Sachen gibt's...