8. Oktober 2009

Agrigento locuta, Roma locuta

Zwei unerwartete und erfreuliche Urteile gibt es aus Italien zu vermelden:
  1. Ein Gericht im sizilianischen Agrigento (welches Gericht es genau war, wurde leider in keinem Medium erwähnt, und meine Kenntnisse der italienischen Gerichtsverfassung sind zu lückenhaft, um eine Vermutung abzugeben - bleiben wir also widerstrebend bei "ein Gericht") hat den ehemaligen Vorsitzenden von Cap Anamur, Elias Bierdel, sowie den Kapitän den gleichnamigen Schiffes, Stefan Schmidt, vom Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einwanderung in einem besonders schweren Fall freigesprochen. Unstreitig ist, dass die beiden im Jahre 2004 daran beteiligt waren, 37 afrikanische Flüchtlinge aus Seenot zu retten und anschließend in Porto Empedocle an italienisches Land zu bringen. Gestritten wurde darüber, ob die Seenot sich in italienischen oder nicht doch in maltesischen Gewässern ereignete und ob das Verhalten auch strafbar war, obwohl die Angeklagten für die Hilfe zum illegalen Grenzübertritt keinerlei Vergütung erhalten haben. Laut Staatsanwaltschaft stellte der "Profit", den die Hilfsorganisation aufgrund dieser Aktion gewonnen habe (Image, Sendezeit, Spenden, usw.) eine Gegenleistung dar, so dass die Angeklagten als Schleuser zur veurteilen seien. Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Zu diesem richtigen Ergebnis hätte man aber auch ohne einen vierjährigen Prozess mit immensen Kosten kommen können: Die Rettung Schiffbrüchiger aus Seenot ist nicht strafbar.
  2. Einen nicht ganz so humanitären Hintergrund hat ein neues Urteil des Italienischen Verfassungsgerichts (Corte costituzionale della Repubblica Italiana - was für eine Sprache!), das ein Gesetz (Lodo Alfano - in Italien haben sogar Gesetze wohlklingende Namen) für verfassungswidrig erklärte, das den Spitzen des Staates (Präsident, Ministerpräsident und die Vorsitzenden der Parlamentskammern) für die Dauer ihrer Amtszeit Immunität vor jeglicher strafrechtlicher Verfolgung gewährte. Diese Gesetz war der Nachfolger eines beinahe identischen Gesetzes, das das Gericht vor Jahren bereits für verfassungswidrig erklärt hatte. Die zahlreichen Strafverfahren gegen Berlussconi können (müssen! - auch in Italien gilt für die Strafverfolgung das Legalitätsprinzip) nun also wieder aufgenommen werden. Jedenfalls vorläufig. Vermutlich verabschieden sie in ein paar Wochen das gleiche Gesetz mit wenigen redaktionellen Änderungen erneut. Da fällt mir mal wieder die treffende Analyse meiner ehemaligen Mitbewohnerin ein: Das Problem an Berlusconi ist nicht, dass er Gesetze macht, die ihm selbst nützen; das Problem ist, dass es sonst niemanden gibt, dem sie nützen. Eine sehr italienische Sichtweise.

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