13. Februar 2008

Schleswig-Holstein mal wieder

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Eigenschaft als Landesverfassungsgericht von Schleswig-Holstein (früherer Beitrag hierzu) heute verkündet, dass der Landtag von S-H die Rechte der beiden Antragsteller (Bündnis 90/DIE GRÜNEN sowie die Linkspartei) verletzt hat, indem er die bislang bestehende 5%-Hürde bei Kommunalwahlen nicht abgeschafft hat.
Über den materiellen Kern des Falles kann man trefflich streiten: Ist eine Sperrklausel (allgemeines hierzu bei wahlrecht.de) bei der Wahl kommunaler Vertretungsorgane gerechtfertigt und/oder notwendig, um einer Zersplitterung und damit Handlungsunfähigkeit des gewählten Organs vorzubeugen? Schon die Prämisse, dass eine "Zersplitterung" eines Vertretungsorgans notwendigerweise zu "Handlungsunfähigkeit" führt und daher zu unterbinden ist, halte ich für sehr fragwürdig. Ein bisschen lächerlich wird die Sache spätestens dann, wenn man argumentativ begründen muss, warum unter bestimmten Gegebenheiten, Umständen und zeitlichen Zusammenhängen eine 5%-Hürde unbedingt, gerade noch, grenzwertigerweise oder letzten Endes dann doch nicht mehr zulässig ist. Und warum eine 5%-Hürde weniger oder mehr verfassungskonform ist als eine 4%-Hürde (die gibt es in Österreich) oder eine 10%-Hürde (die gibt es in der Türkei), konnte mir auch noch niemand überzeugend erklären. Letztlich läuft es auf das Argument der Tradition hinaus. Der Wähler kennt die 5%-Sperrklausel und hat sich mit ihr abgefunden. Nicht so die kleinen Parteien, die natürlich ihren Wahlerfolg durch die Hürde gefährdet sehen.
Heute soll es aber gar nicht um Sinn und Unsinn der Sperrklausel als solcher gehen, sondern um die spezfische Situation, die dem aktuellen Urteil zugrunde liegt: Das BVerfG hat nämlich dem Landtag von S-H zur Last gelegt, dass er die bestehende Sperrklausel nicht abgeschafft hat. Angriffspunkt der Klage ist also nicht eine konkrete gesetzliche Regelung, sondern ein Unterlassen des Gesetzgebers. Legt man einem Jurastudenten im zweiten Semester diese Konstellation vor, so wird er (so er ordentlich gelernt hat) die Auskunft geben, dass ein gesetzgeberisches Unterlassen grundsätzlich kein tauglicher Angriffspunkt für ein verfassungsgerichtliches Verfahren ist. (Außer in ganz schlimmen Fällen, z.B. wenn der Gesetzgeber es unterlässt, Abtreibungen unter Strafe zu stellen. Sorry, das war etwas Polemik zwischendurch.) Das BVerfG hat nun diesen Grundsatz zwar bekräftigt, aber gleich auch eine Ausnahme ausgemacht: Wenn nämlich der Gesetzgeber sich der streiterheblichen Frage ganz konkret im Form eines Gesetzentwurfes gewidmet und diesen im üblichen Verfahren beraten hat, ohne ihn dann eben letzten Endes auch zu verabschieden, dann kann dieses Nicht-Verabschieden vom Verfassungsgericht überprüft werden. Merke: Erst dann meckern, wenn der Landtag deinen Gesetzentwurf auch wirklich beraten und abgelehnt hat.

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