19. September 2005

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Oder: Schröder oder das Chaos.

Mancher mag ja denken: "Weiter Schröder = noch mehr Chaos". Aber das Auftreten des Kanzlers am Wahlabend und die - rechnerisch wie politisch - denkbaren Mehrheitsmodelle lassen nur zwei Schlüsse zu:

1. Schröder setzt darauf, Merkel mit gezielten Sticheleien mürbe zu machen. Wenn man gestern abend ihr Gesicht beobachtete, als Schröder mit aller Selbstverständlichkeit ankündigte, die SPD werde auf keinen Fall in eine große Koalition mit Merkel einsteigen, kann man durchaus zur Auffassung gelangen, dass dieser Teil des Plan bereits aufgeht. Und im Hintergrund höre ich schon den Koch die Messer wetzen...

2. Wenn Merkel erst mal weg ist, kann man so schnell wie möglich (sprich: bevor die Diadochenkämpfe in der Union einen Sieger gefunden haben) den Bundestag erneut auflösen. Im Gegensatz zur Situation im Sommer ginge das diesmal sogar recht einfach und elegant. Denn wenn weder die FDP in Richtung Ampel umfällt, noch die Grünen in Richtung Schwampel, dann hätte nur eine große Koalition eine Mehrheit im Parlament. Die aber gibt es nur, wenn gleichzeitig Merkel und Schröder die Oberhand behalten - ein Ding der Unmöglichkeit. Egal wen also der Bundespräsident dann als Bundeskanzler vorschlägt, er oder sie wird keine Mehrheit finden. Bei einer hinkenden Wahl im dritten Wahlgang steht also die Möglichkeit einer Parlamentsauflösung im Raum. Und nun frage man sich mal, was Bundespräsident Köhler wohl täte, stünde er vor der Wahl, einen Kanzler ohne Mehrheit zu ernennen oder ein zweites Mal "vor den Souverän zu treten". Köhler ist kein Freund einer Minderheitsregierung, egal unter wem.

Man muss das alles nicht wirklich schön finden (oder "ziehlführend", wie mein Chef sagen würde), aber amüsant ist es allemal.

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