20. April 2011

Ehre! Freiheit! Vaterland! Love! Hate! Crap!

1. Akt - Vorgeschichte: Unter der Überschrift "Von Studierenden für Studierende" listet meine Universität schon seit längerer Zeit Weblinks zu zahlreichen studentischen Gruppen auf, die im Umfeld der Universität mehr oder weniger aktiv sind. Auf diese Liste zu kommen, ist denkbar leicht: Man muss der Universität nur per Mail die eigene URL mitteilen und den Wunsch zum Ausdruck bringen, in der Liste aufzutauchen. Wenn eine oberflächliche Überprüfung ergibt, dass es sich tatsächlich um eine Gruppe von Studierenden mit Bezug zur Universität handelt und das Web-Angebot minimalen formalen Anforderungen genügt, dann wird der Link aufgenommen.
Irritierenderweise kommt übrigens etwa jede zweite Bitte um Aufnahme in die Liste als "Antrag auf Registrierung als Hochschulgruppe" oder vergleichbares daher. Scheinbar sind die Studierenden heutzutage so obrigkeitshörig, dass sie glauben, man müsse sich bei irgendeiner Autorität eine Genehmigung abholen, bevor man sich zu einem gemeinsamen Zweck zusammenschließen darf. Nun ja. Ich weise bei solchen Anfragen gerne auf die verfassungsrechtlich garantierte Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) hin und erläutere den Petenten kurz die formalen Möglichkeiten bis hin zum eingetragenen Verein.
2. Akt - LUKS tritt auf den Plan: Seit einer Weile besteht in Erlangen eine Gruppe mit dem schönen Akronym LUKS, was für "Linke Und Kritische StudentInnen" steht. Am Rande der Studierendenproteste im Wintersemester 2009 sind mir die LUKS erstmals aufgefallen, aber vielleicht sind sie auch schon länger aktiv. Die gruppeneigene Webseite unter luks.blogsport.de existiert offenbar erst seit Ende 2010. Anlässlich der Erstellung dieser Seite scheint man sich dann auch der digitalen Umwelt gewidmet zu haben und entdeckte die oben genannte Übersichtsseite der Uni. Nun wäre es wohl naheliegend (jedenfalls für jemanden, der so verworren denkt wie ich), eine Aufnahme der eigenen Seite in die Liste anzustreben, um die Bekanntheit bei der studentischen Zielgruppe zu steigern. Meines Wissens ist ein solches Begehren der LUKS bislang nicht bei der Universität eingegangen, daher tauchen die LUKS auch bis heute nicht in der Liste auf.
3. Akt - Der Blick nach rechts: Statt in eigener Sache tätig zu werden, wandten sich die LUKS als nächstes der kritischen Auseinandersetzung mit anderen studentischen Gruppen zu. Besonderes Augenmerk widmeten sie dabei der vielfältigen Szene der studentischen Verbindungen, Burschenschaften usw., bei denen man gar schröckliche Dinge entdeckte: ein "ver­al­te­tes, tra­di­tio­na­lis­ti­sches, eli­tä­res und frau­en­ver­ach­ten­des Welt­bild", ein Lebensbundprinzip, aus dem man "so einfach nicht mehr heraus" kommt, und überhaupt eine ganz schlimme "Fixie­rung auf über­kom­me­ne Tra­di­tio­nen". Ganz besonders schlimm erschien den LUKS die Erlanger Burschenschaft Frankonia, bei der man ganz viele Berührungspunkte nach ganz rechts entdeckte. Vor nicht einmal zehn Jahren habe es dort nach Angaben des Verfassungschutzes sogar einmal Flügelkämpfe zwischen einem demokratischen und einem extremistischen Flügel gegeben. All diese Erkentnisse bewogen die LUKS dazu, der Universität einen "offenen Brief" zu schicken, in dem gefordert wurde, die Ver­lin­kun­gen sämt­li­cher Verbindungen bzw. Kor­po­ra­tio­nen (die Bezeichnungen wurden in dem Text unterscheidungslos verwendet - was nach meiner nur mäßig fachkundigen Kenntnis nicht ganz stimmt, aber sei's drum) von der Uni-Home­page zu ent­fer­nen. Der vollständige Brief, der auch von weiteren Gruppen und Einzelpersonen unterstützt wurde, ist "zu Zwe­cken der Do­ku­men­ta­ti­on und Auf­klä­rung" natürlich online publiziert. Man sollte den Text unbedingt im Zusammenhang lesen, die hier zitierten Auszüge werden dem Gesamtkunstwerk vermutlich nicht einmal ansatzweise gerecht.
Zwischenspiel - Textanalyse: Zu den inhaltlichen Vorwürfen gegenüber verschiedenen Gruppierungen kann ich leider wenig sagen. Die meisten Dinge, die in dem Schreiben vorgetragen werden, sind als Merkmale des Verbindungswesen (oder von Teilen davon) seit langem bekannt (Lebensbund, Farbentragen, Mensuren usw.) und werden als solche von niemandem bestritten. So sektiererisch und obskur sich das alles in der Darstellung durch LUKS anhört, so war ihnen doch wohl auch klar, dass man den Verbindlingern daraus nicht wirklich einen metaphorischen Strick drehen kann. Konkreter sind da schon die Umstände, die man der Frankonia zur Last legt: Mitgliedschaft von Holocaustleugnern, Propagierung einer nazistischen Ideologie und Anzeigen in der Jungen Freiheit. Undsoweiter undsoweiter. Aus Mangel an Zeit und Ressourcen verzichte ich darauf, alle diese Einzelheiten zu verifizieren. (In den Augen der LUKS habe ich mich vermutlich genau an dieser Stelle disqualifiziert, weil ich eine inhaltliche Auseinandersetzung verweigere und damit nicht mehr - man verzeihe den Kalauer - satisfaktionsfähig bin. Alle anderen dürfen gerne weiterlesen.) Denn für die von den LUKS aus diesen Tatsachen (unterstellt, es seien erwiesenermaßen solche) abgeleiteten Forderungen spielt das im Ergebnis keine Rolle. Denn - und jetzt wird es nach der langen Vorrede endlich interessant - die LUKS leiteten aus dieser Faktensammlung die Forderung an die Universität ab, "zu den hier dar­ge­stell­ten Sach­ver­hal­ten Stel­lung zu neh­men und mit so­for­ti­ger Wir­kung die Ver­lin­kun­gen sämt­li­cher Kor­po­ra­tio­nen auf Ihrer Home­page zu ent­fer­nen". Der Gedanke, der mir beim erstmaligen Lesen dieser Aufforderung durch den Kopf schoss, sei hier wiederholt: Warum?! Warum sollte die Universität zu diesen Tatsachenbehauptungen Stellung nehmen? Was wollten die LUKS als Stellungnahme hören? Sollte die Universität den Aufgaben einer Strafverfolgungsbehörde nachkommen und mit den Mitteln der Strafprozessordnung die Aufklärung dieser Vorwürfe betreiben? Sollte sie nach Verifizierung der Vorwürfe gegen die Täter Anklage erheben? Oder anders gesagt: Sollte sie womöglich in grob rechtswidriger Weise der Staatsanwaltschaft und Polizei die Arbeit abnehmen und sich Kompetenzen und Befugnisse anmaßen, die ihr genausowenig zustehen wie den LUKS als Privatpersonen? Sollte sie - um auf den zweiten Teil der Forderung zurückzukommen - auf der Basis von nicht bewiesenen und von ihr auch nicht zu beweisenden Umständen, die einer einzelnen Gruppierung zur Last gelegt werden, einer Vielzahl von Gruppierungen, deren Unterschiede zur Frankonia nach Ansicht der LUKS "nicht wirk­lich er­heb­lich" seien, den Vorteil entziehen, auf der o.g. Webseite genannt zu werden? Sollte sie sich also nicht nur zum Richter über das Tun dieser Vereinigungen aufschwingen, sondern gegen diese auch noch Sippenhaft verhängen? Und was hätte so ein Verhalten der Universität bitte mit einer "frei­en und de­mo­kra­ti­schen Struk­tu­rie­rung der Ge­sell­schaft" zu tun?
4. Akt - Die Uni antwortet: Zugegeben, das Reagieren auf den Vorstoß der LUKS hatte bei der Universität nicht die höchste Priorität. Aber nach einigen Wochen hat der Präsident dann wirklich geantwortet. Dankenswerterweise haben die LUKS (wie angekündigt) die Antwort öffentlich gemacht und man kann sie hier nachlesen.
5. Akt - Die LUKS sind nicht zufrieden: Jetzt fällt die Spannung in der Geschichte etwas ab, denn es passiert, was sowieso jeder erwartet hat. Die LUKS waren mit der Antwort nicht zufrieden und verfassten wiederum eine Gegenrede plus Pressemitteilung.
Eine weitere Antwort der Universität auf diese Texte wird es nicht geben, aber ich erlaube mir hier einige Detailkommentare:
  • "Wir wis­sen, dass un­se­re Ar­gu­men­ta­ti­on nach­voll­zie­bar und ein­deu­tig ist. Daher kön­nen wir es nicht ak­zep­tie­ren,..."
    Interessantes Argument. Ich dachte immer, auf das Behaupten der eigenen absoluten Unfehlbarkeit beanspruche der Vatikan ein exklusives Nutzungsrecht.
  • "Der Vorwurf, dass der offene Brief aus sicherer Anonymität heraus entstanden sei, lässt sich schlicht mit dem Blick auf die UnterstützerInnen widerlegen."
    Äh, nein, das lässt sich nicht so einfach widerlegen. Denn der Brief ist "Mit freund­li­chem Gruß" unterzeichnet von "LukS (Linke und kri­ti­sche Stu­den­tIn­nen)". Keine Namen von lebenden menschlichen Wesen. Das nennt man anyonm. Der Hinweis auf die zahlreichen UnterstützerInnen geht fehl, denn diese haben den Brief "unterstützt" (steht in dem Brief ausdrücklich so drin), aber sie sind nicht seine Absender. (Von der Tatsache, dass die meisten UnterstützerInnen wiederum nur als Gruppernbezeichnungen auftauchen, mal ganz abgesehen.)
    Der eigentlich springende Punkt aber, über den die LUKS in ihrer Empörung hinweghudeln, ist folgender: Als Adresse der LUKS ist (sowohl in dem ursprünglichen Schreiben als auch in der Pressemitteilung) die Turnstraße 7 in Erlangen angegeben. Für alle die es nicht wissen: Das ist ein Gebäude der Universität, in dem die universitätsweite Studierendenvertretung (Sprecherrat) residiert. Dass zahlreiche studentische Gruppen im Einvernehmen mit der Studierendenvertretung deren Räumlichkeiten nutzen, mag vielleicht irgendwann mal den Rechnungshof stören (denn Miete zahlen sie natürlich nicht), die Universität hat das bislang immer unterstützt. Aber dass die Universität ein anonymes Schreiben aus ihrem eigenen Haus, in dem eine öffentliche Diskussion gefordert wird, ein wenig befremdlich findet, das ist ja wohl nachvollziehbar.
  • In die gleiche Richtung geht der Vorwurf der LUKS, dass die Antwort der Universität "nur" an die LUKS gerichtet war, "ob­wohl es zahl­rei­che Un­ter­stüt­ze­rIn­nen des Brie­fes gibt". Erwarten die LUKS etwas, dass die Universität die Antwort (deren öffentliche Verbreitung die LUKS ja sowieso bereits angekündigt hatten) auch an die 13 Gruppen und vier Einzelpersonen richtet, die in dem Schreiben als UnterstützerInnen genannt sind? Sollten sie das ernsthaft tun, dann wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, Rücksendeadressen anzugeben.
  • "So ein­fach las­sen wir uns nicht mund­tot ma­chen. Wir wer­den die Si­tua­ti­on wei­ter im Auge be­hal­ten und las­sen uns nicht so ein­fach ab­spei­ßen."
    Auch nach mehrfachem Lesen ist mir noch nicht klar, ob das ein Indiz für Paranoia oder eine Drohung sein soll.

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