7. Juni 2008

Choosing Veeps

Ich hatte gestern die Freude, mit einer Gelegenheitsleserin dieses Blogs einige Gläser Wein zu trinken, und habe fahrlässigerweise beim zweiten Silvaner gelobt, die Schreibfrequenz zu erhöhen. Mir brennt ja schon seit Wochen ein Beitrag zum Thema "Warum ich Barack Obama nicht mag, Teil xxx" unter den Nägeln, aber das muss erstmal warten. Für heute beschäftigen wir uns mit Obamas aktuellem Problem Nummer eins: Wen nominiere ich als Vizepräsidentschaftskandidat?

Traditionellerweise galt der Vizepräsident der USA als ein ziemlich einflussloser Mensch, der nur im wenig erstrebenswerten Fall eines Ausfalls des Amtsinhabers vor die Kulissen treten und seine Aufgabe als Lückenbüßer übernehmen musste. Als Truman 1945 nach FDR's Tod nicht ganz unerwartet, aber völlig unvorbereitet das Amt übernehmen musste, wusste er angeblich nicht mal, dass amerikanische Wissenschaftler seit Jahren an der Herstellung einer Atombombe arbeiteten. Wenige Wochen später befahl er ihren Ersteinsatz. Trotz dieses instruktiven Beispiels waren auch seine Nachfolger als VP noch jahrzehntelang zum Zuschauen verdammt. Al Gore war praktisch der erste VP, der auch als solcher eigenständige operative Zuständigkeiten hatte. Über das Verhältnis von Dick Cheney zu dem unter ihm dienenden Präsidenten verlieren wir gnädigerweise erst gar keine Worte.

Aber zurück zum Thema: Wie wählt man eine geeignete Person für dieses Amt aus? Früher lautete das Motto: Balancing the ticket. Sprich: man wählte jemanden aus, der im Vergleich zu dem Mann an der Spitze als geographischer, politischer oder auch charakterlicher Ausgleichsfaktor gesehen wurde. Der liberale Neuengländer Kennedy und der konservative Texaner Johnson. Der kalifornische Schauspieler Reagan und der Ostküsten-Establishment-Bush. Auch insoweit betraten Bill Clinton und Al Gore echtes Neuland: Der junge Südstaaten-Gouverneur und der junge Südstaaten-Senator, beide waren eher vom rechten Flügel ihrer Partei, beide sind Baptisten, beide waren Vietnam-Drückeberger (ja, ich weiß, Al Gore war in Vietnam - als Army-Journalist), beide hatten Jura studiert (Gore allerdings das Studium abgebrochen), undsoweiter. Verblüffenderweise funktionierte dieses unbalancierte Ticket recht gut, und das Duo verbrachte acht Jahre im Weißen Haus. Seither geht der Trend eher dahin, über die Wahl des VP-Kandidaten die Stärken des Mannes an der Spitze zu betonen. Das klassische balancierte Ticket griff demgegenüber die Schwächen des Präsidentschaftskandidaten auf und versucht, sie über die Person des VP-Kandidaten auszugleichen. Die Botschaft wird fokussiert, die Angriffsfläche minimiert. Gut möglich, dass Barack Obama nach diesem Motto vorgehen wird, und einen "reinforcing Veep" sucht. Aber wer könnte das sein? Dazu mehr beim nächstenmal...

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