16. Mai 2008

Gar nicht bürokratisch...

Man hört ja immer wieder, wie furchtbar bürokratisch es hierzulande zugeht, dass wir uns auf dem Weg in eine "Edel-DDR" befänden, undsoweiter. Diejenigen, die so klagen, haben vermutlich noch nie versucht, in Italien eine Baugenehmigung zu kriegen, in Belgien ein Girokonto einzurichten oder in den USA eine Steuererklärung abzugeben. Dann stellt man nämlich schnell fest, dass die Bürokratie überall existiert, sie ist im Ausland nur häufig besser versteckt und mehr von Willkür durchsetzt als bei uns.

Der Unterschied zwischen verschiedenen bürokratischen Systemen besteht nach meiner Erfahrung nicht im Regelungsumfang und schon gar nicht im Regelungsgehalt, sondern am ehesten in der Regelungstechnik. Hierfür ein Beispiel: In Deutschland gibt es bekanntlich die gesetzliche Pflicht, sich als Insasse eines Kraftfahrzeugs während der Fahrt anzuschnallen. Niemand wird bestreiten, dass dies in den allermeisten Fällen eine sinnvolle Idee ist, weil es zwar keine Unfälle verhindert, aber bei einem Unfall erwiesenermaßen ganz erheblich das Ausmaß der erlittenen Verletzung reduzieren kann. Bestreiten könnte man nun, ob es nicht dem eigenverantwortlichen Risikobewusstsein des Einzelnen überlassen werden sollte, ob er diese sinnvolle Maßnahme anwendet, oder ob man dies wirklich staatlicherseits vorschreiben und den Verstoß gegen die Regel dann auch noch als Ordnungswidrigkeit ahnden muss. Dazu kann man stehen wie man will. Jedenfalls ist das hierzulande gesetzlich so vorgeschrieben, und damit basta.
Kurzer Kameraschwenk über den Atlantik: In den USA gibt es keine einheitliche Regelung zur Gurtpflicht. Das liegt daran, dass der Bund dort schlicht nicht befugt wäre, eine solche Regelung zu erlassen, sondern allenfalls die einzelnen Bundesstaaten (wie dort generell die Bundesstaaten mehr Kompetenzen im Verhältnis zum Bund haben als hierzulande die Länder). In einigen Staaten gibt es wohl auch eine gesetzliche Gurtpflicht, anderswo eben nicht. Was macht nun der gewiefte Bundespolitiker, der zum Wohle der Menschheit eine bundesweite Gurtpflicht durchsetzen will, dies aber mangels Gesetzgebungskompetenz nicht kann? Antwort: Geld regiert die Welt, und amerikanische Steuer-Dollars sind besonders mächtig. Die US-Bundesregierung verlangt ganz einfach in ihren Förderbestimmungen für bestimmte Projekte, die vom Bund unterstützt werden, dass die Geldempfänger eine "Seat Belt Policy" etablieren. Sprich: Wir können dich zwar nicht zwingen, den Gurt anzulegen, aber wenn du es nicht tust, kriegst du keine Geld mehr vom Staat. So steht's im "Grant Policy Statement" der National Institutes of Health, wie man hier nachlesen kann. Im Ergebnis läuft's auf das gleiche raus, aber irgendwie finde ich den europäischen Ansatz unbürokratischer.

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