5. März 2008

PKH für Folter"opfer" wegen unzulässiger Beweisantizipation

Ein Auszug aus einer jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:
Der Beschwerdeführer hatte einen elfjährigen Jungen in seine Gewalt gebracht und erstickt, um für die Freilassung des tatsächlich bereits toten Opfers ein hohes Lösegeld zu erpressen. Bei der Abholung des Geldes war er von der Polizei beobachtet und festgenommen worden. Im Rahmen der anschließenden Vernehmung des Beschwerdeführers wurde ihm auf Weisung des Polizeivizepräsidenten, der davon ausging, wenn das Entführungsopfer noch am Leben sei, befinde es sich in akuter Lebensgefahr, die Zufügung von Schmerzen angedroht, wenn er den Aufenthaltsort des Jungen nicht preisgebe. Aus Angst vor den angedrohten Maßnahmen machte der Beschwerdeführer daraufhin Angaben, die zum Auffinden der Leiche führten.
Preisfrage: Um welchen Fall geht es hier, wer ist der Beschwerdeführer?
Der Beschwerdeführer, nennen wir ihn einmal Magnus G., wurde wegen der oben geschilderten Tat (Entführung und Mord) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die er derzeit absitzt. Nun will er wegen der seinerzeit gegen ihn durchgeführten "Ermittlungsmaßnahmen" gegen das Land Hessen einen Amtshaftungsanspruch durchsetzen. Er sieht nämlich in der Androhung der Zufügung von Schmerzen den Tatbestand der Folter erfüllt und hält deswegen das Land Hessen für schadensersatz- und schmerzensgeldpflichtig. (Dieser Anspruch richtet sich wohlgemerkt nicht gegen seine Verurteilung wegen der begangenen Straftat, noch bestreitet er die Tat als solche. Es geht hier nur darum, ob ihm bei der Vernehmung eine körperliche Misshandlung angedroht werden durfte.) Da der Kläger mittlerweile mittellos ist, hat er für seine Klage gegen das Land Hessen einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, der zunächst vom LG Frankfurt und dann auch vom OLG abgelehnt wurde. Begründung (grob paraphrasiert): Die Klage habe sowieso keine Aussicht auf Erfolg. Zwar sei die Androhung von Gewalt unbestreitbar unzulässig gewesen. Aber daraus folge kein Schadensersatzanspruch, denn der Kläger habe ja tatsächlich gar keinen Schaden erlitten.
Das BVerfG mochte sich dieser Argumentation allerdings nicht anschließen. Denn bei komplexen Fällen wie dem vorliegenden darf das Gericht die erforderliche umfangreiche tatsächliche und rechtliche Würdigung nicht bereits im summarischen Verfahren der Gewährung von Prozesskostenhilfe vorweg nehmen. Hierdurch würde einem mittellosen Kläger die Möglichkeit einer eingehenden Würdigung seines Falles im eigentlichen Hauptsacheverfahren abgeschnitten. Die Sache wurde zur abschließenden Entscheidung an das OLG zurück verwiesen. Aufgrund der Ausführungen des BVerfG wird diesem kaum etwas anderes übrig bleiben, als dem Kläger die Prozesskostenhilfe zu gewähren, so dass über dessen Anspruch dann im Hauptsacheverfahren entschieden werden kann.
Fazit: Ein verurteilter Mörder erhält vom Staat Unterstützung für seine Klage gegen den Staat. Muss man so etwas hinnehmen? Unbedingt! Denn dieses unbefriedigende Ergebnis ist nicht etwa Ausweis einer gegenüber Straftätern zu gnädigen Bürokratie, sondern die logische Folge des vorangegangenen Verstoßes der Strafverfolgungsorgane gegen die Regeln des Rechtsstaates. Wenn man irgendjemandem die Schuld für dieses schwer erträgliche Ergebnis zuweisen will, dann den Vernehmungsbeamten, die gegenüber dem Kläger rechtswidrige Maßnahmen angeordnet und eingesetzt haben. Nennen wir es ruhig beim Namen: Wenn der Staat foltert (oder duldet, dass seine Organe Folter als Mittel einsetzen), dann muss er dafür auch haften.

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