4. Februar 2008

Richterrecht

Hier ist eine nette Story aus dem Land der begrenzten Unmöglichkeiten, die erstens mit den dort laufenden Vorwahlen zu tun hat und zweitens ein darüber hinaus gehendes (juristisches) Problem aufzeigt. Also genau das richtige für mich!
Der Hintergrund ist folgender: Wie in vielen anderen Wahlen auch, können Wähler, die in einem US-Bundesstaat an einer Primary teilnehmen (deren es ja momentan einige gibt), im Falle der Abwesenheit am Wahltag ihre Stimme per Post abgeben. (Vor einigen Jahren hat der Staat Oregon sogar das Präsenz-Wählen ganz abgeschafft und für alle Wähler die Briefwahl vorgeschrieben. Ich weiß im Moment gar nicht, ob das dort noch gilt oder nach durchwachsenen Erfahrungen gleich wieder abgeschafft wurde. Das ist schon mal Stoff für den nächsten Beitrag...) Nun geht natürlich zwischen der Abgabe der Stimme per Post und dem eigentlichen Wahltag das Leben weiter seinen Gang, und so können auch unerfreuliche Dinge passieren, über deren Relevanz für die bereits abgegebene Stimme man trefflich streiten kann. Deklinieren wir das mal durch:
  • Variante 1: Der Wähler verstirbt vor dem Wahltag (oder verliert sonstwie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht die Fähigkeit, seine Stimme abgeben zu können - Koma, Aufgabe der Staatsangehörigkeit, was auch immer). Die geheime Stimmabgabe (hierzulande bekanntlich als eines der konstituierenden Grundprinzipien jeder Wahl angesehen) bedingt, dass im nachhinein nicht mehr rekonstruierbar ist, welche Stimme von dem "ausgefallenen" Wähler abgegeben wurde. Es wäre zwar theroretisch möglich, den eingesandten Stimmzettel bis zum Wahltag in einer Weise aufzubewahren, die ein nachträgliches "Herausfischen" einer solchermaßen "ungültig gewordenen" Stimme ermöglicht, aber das wird meines Wissens nirgends gemacht. Wäre auch schwer zu überwachen.
  • Variante 2: Der Kandidat verstirbt vor dem Wahltag. Dieser Fall betrifft nicht nur die Briefwähler, sondern potentiell alle Wähler. Lustig wird es insbesondere, wenn die Zeit bis zur Wahl nicht mehr ausreicht, um einen Ersatzkandidaten zu bestimmen, oder wenn die Wahlzettel schon gedruckt und an die Wahllokale verteilt sind. Da der Fall recht häufig auftritt, ist er in den meisten Rechtsordnungen mehr oder weniger erschöpfend geregelt. Abhängig von den Umständen und der Weltfremdheit des Wahlrechts im Einzelfall können dabei recht absurde Episoden resultieren, man denke nur an die Wahl eines Toten in den US-Senat (Mel Carnahan, 2000). Im Falle des Todes eines Direktkandidaten zum Deutschen Bundestag, kann es dazu kommen, dass die Wahl für den betroffenen Wahlkreis komplett verschoben wird, wie es anno 2005 im Wahlkreis Dresden I passierte.
  • Variante 3 ist die exotischste: Der Kandidate lebt zwar am Wahltag noch, hat aber vorher seine Kandidatur zurückgezogen. Auch diese Konstellation wirft natürlich Fragen in Bezug auf die gesamte Wählerschaft auf (ein schönes Beispiel ist der kurzfristige Rückzug des US-Kongressabgeordneten Tom DeLay, der seine Partei 2006 zu einigen Verrenkungen nötigte und sie schließlich den Sitz kostete). Dem oben verlinkten Fall liegt zugrunde, dass auf dem Stimmzettel für die Vorwahl der Demokraten in New Jersey gleich mehrere Kandidaten stehen, die sich in den vergangenen Wochen aus dem Rennen verabschiedet haben, und dieser Fall im anwendbaren Recht nicht ausdrücklich geregelt ist. Ein dortiger Richter hat nun entschieden, dass die von diesem schleichenden Kandidatensterben betroffenen Wähler ihre Stimme erneut abgeben können, wenn sie eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass sie ursprünglich für einen später ausgeschiedenen Kandidaten gestimmt haben. Ich wiederhole: Man darf einen weiteren Stimmzettel abgeben, wenn man schwört, dass man eigentlich einen Kandidaten wählen wollte, der jetzt aus dem Rennen ist. Bin ich der einzige, der das grenzdebil findet?

1 Kommentar:

Monica Mayer hat gesagt…

Nein, bist Du nicht! :)