18. März 2008

Wer hat, dem wird gegeben

Neulich am Samstagnachmittag, erste Fussball-Bundesliga, es spielen der Karlsruher SC und die Frankfurter Eintracht: Seitlich neben dem Tor liegen Werbebanner auf dem Boden, die auf eine Web-Seite www.kit.edu hinweisen. Hinter der Adresse verbirgt sich die altehrwürdige Universität Karlsruhe, die demnächst mit dem ebenfalls dort ansässigen Forschungszentrum Karlsruhe, einer privatrechlichen GmbH, die zu 90% vom Bund und zu 10% vom Land Baden-Württemberg gehalten wird, zu einer Einrichtung völlig neuer Art verschmelzen soll: dem Karlsruher Institut für Technologie, kurz KIT. Bermerkenswert, denkt sich der unbedarfte Premiere-Konferenz-Gucker, dass die Geld dafür übrig haben, im Fussballstadion für sich zu werben. Was die wohl zu verkaufen haben?

Szenenwechsel: Zwei Tage später berichtet Spiegel Online, dass eben jene Universität Karlsruhe von einem großzügigen Spender die mit Abstand größte Einzelspende erhält, die je einer deutschen Hochschule zugeflossen ist: 200.000.000,- €, in Worten: zweihundert Millionen Euro. Davon kann man viele Werbebanner bezahlen...

Rückblende: Bei der sogenannten "Exzellenz-Initiative" war die Universität Karlsruhe ebenfalls schon erfolgreich und erhielt für ihr "Zukunftskonzept" eine millionenschwere Förderung. Kern des Konzepts war eben jene Verschmelzung von Uni und FZK, die jetzt vollzogen werden soll. Damals war allerdings nur von einer engen Kooperation zwischen den beiden Institutionen die Rede. Dass diese auch institutionell verschmelzen sollen, wurde erst neulich so richtig deutlich.

Fassen wir zusammen: Eine in ihrem Bereich sehr erfolgreiche Landes-Universität und eine überwiegend in Bundesbesitz befindliche GmbH erarbeiten das Konzept ihrer Fusionierung zu einer dann von Bund und Land gemeinsam getragenen neuartigen Einrichtung (eine öffentlich-rechtliche Anstalt, vermute ich mal). Für dieses Konzept erhalten sie vom Bund noch zusätzlich Geld, wobei auch das Land noch einen Teil beisteuert. Und zu guter Letzt wirft ein schwerreicher Privatier nochmal zweihundert Millionen oben drauf. Respekt, nicht alle Schnappsideen werden so hoch subventioniert.

14. März 2008

Nachvollziehbare Strafzwecke und wirkkräftige gesellschaftliche Überzeugungen

Wieder einmal verweise ich auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, heute die kürzlich ergangene Bestätigung des strafrechtlich bewehrten Inzestverbots. Lesenswert daran ist vor allem die abweichende Meinung des Richters Hassemer, in der dieser mit deutlichen Worten darlegt, wie der Rest des zuständigen Zweiten BVerfG-Senats mit schwammigen Begrifflichkeiten einen moralisch begründeten, verfassungsrechtlich aber nicht tragfähigen Grundrechtseingriff absegnet. Ich zitiere mal die Highlights (Hervorhebungen von mir):
Weder eine nebulose kulturhistorisch begründete, wirkkräftige gesellschaftliche Überzeugung (sollte sie sich wirklich auf eine Strafwürdigkeit des Inzests beziehen und nicht bloß auf seine soziale Ächtung) noch eine (im Übrigen lückenhafte und vielfach divergente) Strafbarkeit im internationalen Vergleich sind imstande, eine Strafnorm verfassungsrechtlich zu legitimieren. [...] Eine "strikte Wahrung" des Verhältnismäßigkeitsgebots, auf der das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung besteht (vgl. BVerfGE 27, 344 <351>; 96, 56 <61>), kann man diesem Inzestverbot nicht bescheinigen.
[...]
Es spricht viel dafür, dass die Vorschrift in der bestehenden Fassung [...] lediglich bestehende oder auch nur vermutete Moralvorstellungen, nicht aber ein konkretes Rechtsgut im Auge hat. [...] Der Aufbau oder der Erhalt eines gesellschaftlichen Konsenses über Wertsetzungen - hier das Verbotensein des Beischlafs zwischen Geschwistern - aber kann nicht unmittelbares Ziel einer Strafnorm sein. Dazu gibt es andere und besser geeignete Mittel im Sinne des ultima-ratio-Prinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als verfassungsrechtliche Schranken strafrechtlicher Eingriffe. Die Stärkung moralischer Vorstellungen darf allenfalls - mittelbar - erwartet werden als langfristiges Ergebnis einer gerechten, klaren, rationalen und stetigen Strafrechtspflege.
[...]
Schließlich macht der Senat auch kein Hehl daraus, dass er gegen den strafrechtlichen Schutz einer "kulturhistorisch begründeten gesellschaftlichen Überzeugung" von der Strafwürdigkeit des Inzests letztlich nichts einzuwenden hat. Ich halte das für den Schutz einer gesellschaftlichen Moralvorstellung.
Da kann ich Herrn Hassemer nur zustimmen.

5. März 2008

PKH für Folter"opfer" wegen unzulässiger Beweisantizipation

Ein Auszug aus einer jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:
Der Beschwerdeführer hatte einen elfjährigen Jungen in seine Gewalt gebracht und erstickt, um für die Freilassung des tatsächlich bereits toten Opfers ein hohes Lösegeld zu erpressen. Bei der Abholung des Geldes war er von der Polizei beobachtet und festgenommen worden. Im Rahmen der anschließenden Vernehmung des Beschwerdeführers wurde ihm auf Weisung des Polizeivizepräsidenten, der davon ausging, wenn das Entführungsopfer noch am Leben sei, befinde es sich in akuter Lebensgefahr, die Zufügung von Schmerzen angedroht, wenn er den Aufenthaltsort des Jungen nicht preisgebe. Aus Angst vor den angedrohten Maßnahmen machte der Beschwerdeführer daraufhin Angaben, die zum Auffinden der Leiche führten.
Preisfrage: Um welchen Fall geht es hier, wer ist der Beschwerdeführer?
Der Beschwerdeführer, nennen wir ihn einmal Magnus G., wurde wegen der oben geschilderten Tat (Entführung und Mord) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die er derzeit absitzt. Nun will er wegen der seinerzeit gegen ihn durchgeführten "Ermittlungsmaßnahmen" gegen das Land Hessen einen Amtshaftungsanspruch durchsetzen. Er sieht nämlich in der Androhung der Zufügung von Schmerzen den Tatbestand der Folter erfüllt und hält deswegen das Land Hessen für schadensersatz- und schmerzensgeldpflichtig. (Dieser Anspruch richtet sich wohlgemerkt nicht gegen seine Verurteilung wegen der begangenen Straftat, noch bestreitet er die Tat als solche. Es geht hier nur darum, ob ihm bei der Vernehmung eine körperliche Misshandlung angedroht werden durfte.) Da der Kläger mittlerweile mittellos ist, hat er für seine Klage gegen das Land Hessen einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, der zunächst vom LG Frankfurt und dann auch vom OLG abgelehnt wurde. Begründung (grob paraphrasiert): Die Klage habe sowieso keine Aussicht auf Erfolg. Zwar sei die Androhung von Gewalt unbestreitbar unzulässig gewesen. Aber daraus folge kein Schadensersatzanspruch, denn der Kläger habe ja tatsächlich gar keinen Schaden erlitten.
Das BVerfG mochte sich dieser Argumentation allerdings nicht anschließen. Denn bei komplexen Fällen wie dem vorliegenden darf das Gericht die erforderliche umfangreiche tatsächliche und rechtliche Würdigung nicht bereits im summarischen Verfahren der Gewährung von Prozesskostenhilfe vorweg nehmen. Hierdurch würde einem mittellosen Kläger die Möglichkeit einer eingehenden Würdigung seines Falles im eigentlichen Hauptsacheverfahren abgeschnitten. Die Sache wurde zur abschließenden Entscheidung an das OLG zurück verwiesen. Aufgrund der Ausführungen des BVerfG wird diesem kaum etwas anderes übrig bleiben, als dem Kläger die Prozesskostenhilfe zu gewähren, so dass über dessen Anspruch dann im Hauptsacheverfahren entschieden werden kann.
Fazit: Ein verurteilter Mörder erhält vom Staat Unterstützung für seine Klage gegen den Staat. Muss man so etwas hinnehmen? Unbedingt! Denn dieses unbefriedigende Ergebnis ist nicht etwa Ausweis einer gegenüber Straftätern zu gnädigen Bürokratie, sondern die logische Folge des vorangegangenen Verstoßes der Strafverfolgungsorgane gegen die Regeln des Rechtsstaates. Wenn man irgendjemandem die Schuld für dieses schwer erträgliche Ergebnis zuweisen will, dann den Vernehmungsbeamten, die gegenüber dem Kläger rechtswidrige Maßnahmen angeordnet und eingesetzt haben. Nennen wir es ruhig beim Namen: Wenn der Staat foltert (oder duldet, dass seine Organe Folter als Mittel einsetzen), dann muss er dafür auch haften.

1. März 2008

Führer-Pop

Ich weiß wirklich nicht, welches dieser beiden Obama-Anbetungs-Videos ich peinlicher finde...