27. Februar 2009

Die Erben von Baum und Hirsch

Erinnert sich noch jemand an den quasi feststehenden Begriff aus früheren Zeiten "die FDP-Abgeordneten Baum und Hirsch", meistens verbunden mit der Nachricht über die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen die Auswüchse des Überwachungsstaates? Ach ja, das waren noch Zeiten, als es in der FDP noch einen Baum und einen Hirsch gab...

Wir blenden über in die Gegenwart. Heute hat das Bundesverfassungsgericht das neue bayerische Versammlungsgesetz, das erste Landesgesetz zum Versammlungsrecht seit der Neuordnung der einschlägigen Gesetzgebungskompetenzen, in nicht unerheblichen Teilen einstweilen außer Kraft gesetzt (Pressemitteilung, Entscheidungstext). Die Entscheidung ist eine deftige Klatsche für das "eigenständige rechts- und ordnungspolitische Konzept" der Bayerischen Staatsregierung und ein Sieg für die Demokratie. Heribert Prantl sieht das, wie nicht anders zu erwarten war, genauso. Darauf einen Dujardin!

25. Februar 2009

Major changes - oder auch nicht

Nach langer Zeit habe ich heute mal wieder einen Legalanglizismus gefunden. Gleich zwei sogar.

Zunächst ein Text aus der Kategorie "Die Parteien sind sich einig, ihre Vertragsautonomie in nutz- und wirkungsloser Weise einzuschränken". Nichts wesentlich neues, aber immer wieder witzig.
The contents of the Agreement may be amended in the occurrence of an event justifying such amendment.
Also: Nur dann, wenn etwas passiert, das eine Vertragsänderunge rechtfertigt, ist eine Vertragsänderung auch zulässig. Und was passiert, wenn die Parteien aus völlig unsachlichen Erwägungen heraus den Vertrag ändern wollen, obwohl es gar keinen Grund dafür gibt? Ich würde mal sagen: Wenn sich die Parteien über einen Vertrag (oder dessen Änderung) einig sind, dann ist das genug Rechtfertigung genug dafür, diese Vereinbarung rechtlich wirksam sein zu lassen. Rechtsbindungswille und so...
In the occurrence of major changes such as those in name and representative of the Parties, all rights and obligations pursuant to this Agreement shall be inherited to the successor(s).
Der ist wirklich gut! Wenn sich der Name einer Partei ändert, sollen die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auf den Rechtsnachfolger übergehen. Auf welchen Rechtsnachfolger denn? Eine Namensänderung ändert doch nichts an der rechtlichen Identität einer juristischen Person! Und ein Austausch des (gesetzlichen/rechtsgeschäftlichen/satzungsmäßigen/...) Vertreters hat erst recht keine solche Wirkung. Da hat jemand die Sache mit der Rechtsfähigkeit juristischer Personen irgendwie gründlich missverstanden.

17. Februar 2009

Ein staatstragender Linker

Wäre Wolfgang Nešković eine Ein-Mann-Partei, ich würde ihn wählen. Nicht nur wegen seiner (zugegeben: dogmatisch weit hergeholten) Erfindung vom "Recht auf Rausch", die uns im Ergebnis die BVerfG-Rechtsprechung zur straffreien "geringen Menge" beim Betäubungsmittelkonsum beschert hat (BVerfGE 90, 145). Nicht nur weil er nach seiner Wahl zum Richter am Bundesgerichtshof erstmal eine Konkurrentenklage eines unterlegenen Interessenten durchstehen musste (ein BGH-historisch ziemlich einmaliger Vorgang, soweit ich weiß). Nicht nur, weil er als damaliges Mitglied der Grünen nach dem "Kosovo-Krieg" die Dinge beim Namen und den Außenminister Joseph Martin Fischer untragbar nannte. Nicht so sehr wegen der eher skurrilen Affäre um mutmaßliche "Wanzen" in seinem Abgeordnetenbüro. Ganz bestimmt aber wegen seinem prinzipientreuen Festhalten an den Grundfesten des rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Unbedingt lesen!

7. Februar 2009

Gerrymandering für Anfänger

Was Gerrymandering ist? Ach herrje, das ist schwer zu erklären.
Ein Gerrymander sieht jedenfalls so aus:

Niedlich, oder? Das Tierchen hat seinen Namen von Elbridge Gerry, einem Gouverneur von Massachusetts (noch so ein schwieriges Wort...) zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Dieser erfand die Kunst, durch geschickten Zuschnitt von Einmannwahlkreisen die Siegeschancen zu erhöhen. Der historische und mathematische Hintergrund ist bei Wikipedia sehr schön erklärt (die englische Fassung ist ausführlicher und führt einige besonders eindrucksvolle Beispiele auf). Das ist alles ganz nett und gäbe uns eigentlich mal wieder Gelegenheit, über die rückständigen Amis und ihre Wahlrechtskapriolen zu lästern. Aber ich bin heute nicht in Lästerlaune, sondern gebe der geneigten Leserschaft stattdessen hiermit die Hausaufgabe, das ganze mal selbst auszuprobieren: Bei www.redistrictinggame.org wird die Theorie in einfachen Lektionen zur Praxis, man kann selbst Hand anlegen und an Wahlkreisen rumschnippseln. Macht richtig Spaß!

2. Februar 2009

Mainz führt!

1:0! In Kaiserlautern! Weiter so! :-)

Zwischen den Zeilen lesen

muss man bei dieser Pressemitteilung, denn die interessantesten Informationen stehen gar nicht drin oder erschließen sich erst auf den zweiten Blick:
  • Mit keinem Wort erwähnt werden zwei durchaus relevante Fakten über den bisherigen Präsidenten Haase:
    1. Haase war zur Wiederwahl angetreten, d.h. er wurde abgewählt.
    2. Auch Haase ist Physiker. Er verlor nicht nur gegen einen Herausforderer, sondern sogar gegen einen Kollegen aus der eigenen Fakultät.
  • Diese beiden Fakten werfen die Folgefrage auf: Warum wurde Haase so schmählich abgewählt? Die Meldung schweigt sich hierzu aus, es wird sogar ausdrücklich seine "zupackende und intensive" Arbeit gelobt. Der Leser bleibt ratlos...
  • Juristisch spannend ist die Aussage, dass sich der Kandidat Forchel nicht an der Abstimmung beteiligt habe, obwohl dies "rechtlich möglich" gewesen sei. Anknüpfungspunkt dieser Aussage ist § 32 Abs. 2 der Grundordnung der Universität Würzburg (PDF), wo ausdrücklich festgelegt ist, dass für Wahlen die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (Art. 20 f. BayVwVfG, Ausschluss bei persönlicher Beteiligung bzw. wegen Besorgnis der Befangenheit) nicht gelten. Sprich: Bei Wahlen darf der Kandidat selbst mitstimmen. Das ist an sich nichts besonders revolutionäres. Mancher mag sich in diesem Zusammenhang an die Anekdote von Adenauer erinnern, der mit seiner eigenen Stimme zum Kanzler gewählt worden sei. Etwas pikant wird die Sache aber, wenn man zum Vergleich mal in das Bayerische Hochschulgesetz schaut. Dessen Art. 41 Abs. 2 Satz 1 verweist nämlich ausdrücklich auf eben jene Ausschluss-Regelungen im VwVfG, die die Grundordnung der Uni gerade ausschließt. Was gilt nun?
    Klassische Juristenantwort: Das kommt darauf an. Meistens darauf, welches Ergebnis man gerne hätte. ;-) In diesem Fall würde ich im Ergebnis sagen, dass die Grundordnung vorgeht, weil sie eine Sonderregelung für Wahlen trifft (was im übrigen durch Art. 38 Abs. 2 des Hochschulgesetzes ausdrücklich zugelassen wird), die von Art. 41 Abs. 2 S. 1 BayHSchG nicht erfasst wird. Das kann man so sehen, muss man aber nicht. In Würzburg neigten die Juristen offenbar zur Vorsicht. Das verdient Lob. Und der Kandidat Forchel scheint sich seiner Wahlchancen so sicher gewesen zu sein, dass er auf den Rat der Juristen gehört hat. Hoffentlich macht er sich das zur Gewohnheit, wenn er erst mal im Amt ist.
Zum Ergebnis nur soviel: Die Tatsache, dass der künftige Präsident der Universität Würzburg in seiner ersten Stellungnahme kein Wort über die Lehre verliert (der Vorgänger hatte dafür seinerzeit wenigstens noch einen Satz übrig, wenn ich mich recht erinnere), lässt tief blicken und Schlimmes befürchten. Ein wenig erinnert es mich an die Würzburger Oberbürgermeisterwahl im Jahre 2002, als ich angesichts des Kandidatenangebots in der Stichwahl (Weber vs. Beckmann) zum ersten und einzigen Mal im Leben bewusst und absichtlich nicht zur Wahl gegangen bin, weil es mir einfach nicht gelingen wollte, mich für einen der beiden als kleineres Übel zu entscheiden. Gut, dass ich nicht im Hochschulrat der Uni Würzburg sitze!